Ein “Museum der Arbeit” lädt nicht jeden zufälligen Passanten zum Besuch ein, schon weil es ja ein äußerst weites Feld zu beackern verspricht. Das Museum der Arbeit, das der Arbeitergeschichtsverein e.V. in Hann.Münden (Niedersachsen) betreibt, sollte aber doch besuchen, wer mal vorbeikommt. Darin es geht zumindest zurzeit auch nur um eine einzige, sehr spezielle Arbeit: das Bleischrotgießen.
Vermutlich unsachgemäß verkürzt, funktionierte das so: Heißes Blei wird durch ein Sieb gegossen, damit daraus Schrotkugeln entstehen. Früher nahmen die Menschen an, die Kugeln würden desto runder, ergo besser, je tiefer sie fallen. Andererseits diente jedenfalls der Fallwind zum Trocknen. Dieser Fallhöhe halber also mussten dem Bleischrotguss dienende Arbeitsstätten hoch sein. Das Hann.Mündener Museum befindet sich daher in einem Turm, der zur alten Stadtmauer gehörte und noch extra erhöht wurde, bevor man 1848 mit der Schrotkugelherstellung begann. Diese skurril anmutende Produktion wurde 1980 aufgegeben. Wie genau sie ging, zeigt im Museum ein äußerst geruhsamer Schulfilm des (inzwischen ebenfalls aufgegebenen, also erst recht musealen) Instituts für den wissenschaftlichen Film aus Hann.Mündens Kreisstadt Göttingen. Und auch wenn das dem Arbeitergeschichtsverein womöglich zu schnöde erscheint, ist der Turm natürlich die eigentliche Attraktion des Museums.
Von ihm aus hat man einen schönen Blick über das Städtchen, in dem noch so einige Türme und vor allem viele Fachwerkhäuser sowie natürlich ein Schloss stehen. Dass die Schrotproduktion aufgegeben wurde, heißt übrigens nicht, dass auch die Firma aufgegeben wurde; sie besteht noch heute in unmittelbarer Nähe und stellt ihrem nicht völlig unmartialischen Internetauftritt zufolge (“Welche Jagdkugel ist die richtige für mich…”) weiterhin Munition her. Überhaupt ist Munition recht omnipräsent in Münden. So kann man in einem Teil der erhaltenen alten Stadtmauer nach darin steckenden Kanonenkugeln aus dem 30-jährigen Krieg suchen.
Am relativ bekanntesten ist Hann. Münden jedoch als Drei-Flüsse-Stadt, und zwar laut Wikipedia, weil es einst etwa an der Grenze zwischen dem alten nieder- und dem oberdeutschen Sprachraum lag und sich wohl irgendwann eingebürgert hatte, dass der im Süden Werra genannte Fluss im Norden Weser genannt wird. Daher fließt also nicht einfach die Fulda in die Werra, sondern die Flüsse küssen sich und müssen ihre Namen büßen. Die entsprechenden Reime dichtete – und den Weserstein, auf dem sie stehen und der die relativ größten Touristenattraktion bildet, setzte – anno 1899 der Eigentümer der Fabrik, in der u.a. der oben erwähnte Bleischrot hergestellt wurde. Carl Natermann hieß er.
Hann. Münden ist also recht übersichtlich. Lohnt aber einen Besuch.