Irgendwie war ich auf den Angstweg geraten. Als ich es bemerkte, bog ich dennoch lieber nicht “Zum Steinbruch” ab… Pardon für den Einstieg, der drängte sich einfach auf. Jedenfalls: Im letzten November war ich von Linz am Rhein nach Bad Hönningen (jeweils Rheinland-Pfalz) unterwegs, und das ist vor allem ein schöner Weg. Ich startete also in Linz.
Diese hübsche Rheinstadt, die sich selbst “die bunte” nennt, gruselig zu finden, nur weil sich an Novembertagen gut vorstellen lässt, wie in den Fußgängerunterführungen unter der Bundesstraße und der hoch geführten Eisenbahnstrecke zum Rhein hin in der Dämmerung die Geister enthaupteter Bürgermeister oder alter Burgherren spuken, wäre zweifellos ungerecht. Selbst wenn das selbsttätig startende Glockenspiel auf der Internetseite des Rathauses, einer der Sehenswürdigkeiten, durchaus etwas erschrecken kann, und die Linzer Burg natürlich eine Folterkammer enthält… Überhaupt begegnet man auf dieser Strecke gleich mehreren (mehr oder weniger sogenannten) Burgen.
Folgt man dann von Linz aus mehr oder weniger dem Rheinsteig nach Süden, gelangt man in ein beschauliches Dorf auf einer Hochebene, an dessen Nordrand also eine Straße den einprägsamen Namen Angstweg trägt. Dieses Dattenberg hält für Besucher in einem Plastikkästchen im Dorfzentrum ein Faltblatt mit einem (auch interaktiv online verfügbaren) historischen Rundgang an.
Und auch dieser Ort hat eine Burg zu bieten. Die Dattenburg in Dattenberg ist nach vorn heraus bloß ein neueres Gebäude, das privat benutzt wird, jedoch den Weg in den Garten freigibt, wo ein alter Turm der aus dem 14. Jahrhundert stammenden, bereits seit 1624 verfallenen Burg der Kurkölner Bischöfe steht. Im 19. Jahrhundert wurde Dattenberg zur Basalt-Hochburg (im Zusammenhang mit der in Linz noch immer ansässigen AG). Eine Menge Basalt, verbaut und einfach so, ist im Dorf auch zu sehen, u.a. als Fundament der gewaltigen neoromanischen Kirche. In der Gegenwart hat bzw. im letzten November hatte Dattenberg dann das Problem, dass die Sparkassenfiliale dort zumachen sollte, wie der Gemeinderat auf mehreren Tafeln öffentlich angeschlagen hatte.
Wieder näher am Rhein folgt im Süden die Ortschaft Ariendorf, die ihre Geschichte auf enorm vielen Schrifttafeln beschreibt. Hier gehörte die obligate Burg (auf dem Foto rechts rechts unten) dem Kurfürsten und Bischof von Trier. Schön, dort u.a. zu lesen, dass Ariendorf “seit 1.1.1967 …wiedervereint” ist.
Man braucht sich den Zustand, der zuvor herrschte, wohl nicht wie die Teilung vorzustellen, die ein paar Jahrzehnte lang Berlin betraf. Dafür dauerte er umso länger: Der Ariendorfer Bach, steht in Ariendorf geschrieben, habe sage und schreibe von “1250 bis zum 31.12.1966” die Grenze zwischen den Kurfürstentümern Köln und Trier und den nachfolgenden Verwaltungseinheiten markiert. Vielleicht zur Strafe dafür ist der Bachlauf längst nicht mehr zu sehen, nämlich schon seit 1949 überbaut.
Im nächsten Waldstück Richtung Süden begegnen einem dann Zeugnisse amerikanischer Besatzungstruppen nach dem Ersten Weltkrieg. Und oberhalb Bad Hönningens überrascht hinter einem einfach so allein am Waldrand stehenden, schwarzbraun patinierten Torbogen (es ist natürlich toll, wenn wie in Ariendorf jedes historische Detail auf einer unmittelbar daneben angebrachten Erklärtafel erläutert wird; manchmal ist es aber auch ganz schön, wenn etwas Fragen offen lässt…), ein gelbes Rhein-Neuschwansteinschloss mit, nach eigenen Angaben (die ich nicht überprüft habe) 365 Fenstern, 52 Türen und zwölf Türmen.
Die Geschichte dieses Schlosses Arenfels ist entsprechend verwickelt, wird aber ausführlich im Internet unter schloss-arenfels.de aufbereitet. Besichtigbar ist es zurzeit nicht von innen (aber wohl als Beranstaltungsort buchbar); vielleicht reicht Anschauen von außen aber auch.
Bad Hönningen selbst bemüht sich ebenfalls, seine Geschichte für Passanten zusammenzufassen. In einer neben aufgestellten Stadtplänen abgedruckten Chronologie führt es sich auf Kaiser Heinrich II. im 11. Jahrhundert zurück. Sein Stadtrecht bekam der Ort, einer anderen Auflistung zufolge, aber erst im späten 20. Jahrhundert : Anno 1969 “erhob” es der spätere zweite Kanzler mit Vornamen Helmut, also der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl, dazu.
Was Bad Hönningen noch eher interessant machen könnte: dass es viel viel früher für ein paar Jahrhunderte lang die erste Ortschaft jenseits des Römischen Reichs gewesen sein muss. Denn im Süden des heutigen Bad Hönningen, in der Ortschaft Rheinbrohl, begann der römische Grenzwall, der Limes, das in Rheinland-Pfalz gern genannte Weltkulturerbe. Der Ort selbst war also sozusagen der erste, der nicht mehr zum Imperium gehörte. Aber bis Rheinbrohl kam ich dann nicht mehr, schon weil es im November ja bereits früh dunkel wird.
Nichts übrigens gegen Bad Hönningen. Bloß um hier einen Spannungsbogen zu schließen: In der Dämmerung ein wenig gruselig anmutende Fußgängerunterführungen hat es, wie viele Rheinstädtchen, ebenfalls zu bieten.
“sogenannte Burgen” klingt gut. Und rheinische Fußgängerunterführungen sind sowieso das Größte 😉
Ich linke mal rüber.