Ein Schloss in der Stadtmitte, an dem ein buntes Plakat ins Humboldt-Kulturforum einlädt? Das könnte ja beinahe Berlin sein, in dessen Stadtteil Mitte schließlich gerade ein längst verschwundenes Schloss als “neuartiges Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Begegnungszentrum” namens Humboldt-Forum neu aufgebaut wird.
Allerdings ist das Schloss, in dem solch ein Forum bereits besteht, sympathisch bescheiden, fast eher ein Haus, das etwas größer ist als die Häuschen drumherum. Am Portal lädt es auch überhaupt nicht mehr ein. Vielmehr warnen “Privatweg/ Durchgang verboten!”- und “Vorsicht bissiger Hund!”-Schilder ausdrücklich vorm Betreten des Schlosshofs (und wer in der Gegend, im Fichtelgebirge, etwas unterwegs war, hat keinen Anlass, die Feindseligkeit der dortigen Hunde gering zu schätzen).
Aufklärung gibt’s im Rathaus der 3.600-Einwohner-Stadt Goldkronach: Das Schloss sei schon lange im Privatbesitz, derzeit in dem des lokalen Bundestagsabgeordneten, der natürlich, schließlich liegt liegt das Fichtelgebirge in Bayern, der CSU angehört. Geöffnet sei es manchmal für Veranstaltungen des “Alexander von Humboldt-Kulturforums Schloss Goldkronach e. V.”.
Überdies liegen im Rathaus eine Menge teilweise umfangreicher Broschüren aus, die erläutern, warum Goldkronach sich “Alexander von Humboldt-Stadt” nennt und, damit zusammenhängend, woher das Gold- im Stadtnamen kommt: vom Goldbergbau, der vom 14. Jahrhundert an in der unmittelbaren Umgebung betrieben wurde.
“Der Goldbergbau war in den Jahren 1363 bis 1429 von einem raschen Aufstieg und einer hohen Blüte gekennzeichnet”, heißt es in der 54-seitigen Publikation “Gold im Berg/ Ein Edelmetall schreibt Geschichte in Goldkronach”. Seinerzeit sei “wöchentlich bis zu 3, 75 Kilogramm Gold gewonnen” worden. Mit den Hussitenkriegen also Folgen der Verbrennung des böhmisch-tschechischen Reformators Jan Hus, endete diese Blütezeit. Auch spätere Kriege, die teils wie der Erste Markgrafenkrieg 1459/50 direkt durch Streit um Bergbaurechte verursacht wurden, trugen dazu bei, dass weitere Blütephasen ausblieben. So muss die Gesamtbilanz des Goldbergbaus im Fichtelgebirge ökonomisch denkende Menschen ernüchtern: “Das im Mineralverband sehr fein verteilte und mit dem Quarz sehr fest verwachsene Gold konnte seit dem 16. Jahrhundert zu keiner Betriebszeit gewinnbringend gewonnen werden”, heißt es ebd. später (S. 45).
Betriebszeiten gab es dennoch viele: 1977 erfolgten die bislang letzten Erkundungsbohrungen. In den 1920er und frühen 1930er Jahren hatte die Bergbau-Aktiengesellschaft “Fichtelgold” ihr Glück versucht (deren “herrliche alte Aktien” sich noch “in vorzüglichem Erhaltungszustand” bei sammleraktien-online.de online bestellen lassen). Und am Ende des 18. Jahrhunderts hatte eben Alexander von Humboldt als preußischer Bergassessor, dann Oberbergmeister und Oberbergrat entsprechende Bemühungen geleitet.
Damals war die Region tatsächlich für anderthalb Jahrzehnte preußisch gewesen. Zuvor hatte sie zum Markgrafentum Brandenburg-Bayreuth gehört (und das sog. Schloss war der Amtssitz der markgräflichen Verwalter gewesen). Wie der geografisch nicht, nur erbdynastisch verständliche Name des Terrioriums andeutet, hatten dort Hohenzollern regiert, die mit denen verwandt waren, die in Berlin und Potsdam das immer größer und mächtiger gewordene Brandenburg bzw. Preußen regierten. Nachdem dann 1791, während nach der Französischen Revolution, der letzte fränkisch-hohenzollerische Markgraf Christian Friedrich Karl Alexander keine Lust mehr aufs Regieren und sein stark verschuldetes Land an Preußen verkauft hatte (vgl. auch Text über Ansbach hier), schickte die Berliner Regierung ein paar talentierte Beamte in den Süden. Mit Karl August Freiherr von Hardenberg kam Alexander von Humboldt ins Land und versuchte die Effizienz der zahlreichen Bergwerke des Fichtelgebirges zu erhöhen. Ist es ihm gelungen?
“Als Humboldt 1795 den preußischen König um die Entlassung aus dem Dienst als Oberbergmeister bat, um seinen Jugendtraum von Forschungsreisen in die Welt zu verwirklichen, hatte er den Bergbau in der Region entscheidend umstrukturiert und wieder in die Gewinnzone gebracht”,
meint das im Goldkronacher Schloss ansässige Humboldtforum auf seiner Webseite freundlich.
“Ohne das Problem der Roherz-Aufbereitung gelöst zu haben”, verließ Humboldt das Städtchen, formuliert es die oben genannte Broschüre (S. 33) etwas nüchterner. Sein Nachfolger Friedrich Killinger soll 1803 die Arbeit in einer der Goldkronacher Zechen eingestellt haben, dann war es den Preußen bald ohnehin egal, weil nach ihren Kriegsniederlagen gegen Napoleons Armeen die ganze Gegend 1806 zunächst französisch und anschließend an die verbündeten Bayern weitergereicht wurde. Und Humboldt , der im Fichtelgebirgs-Bergbau tatsächlich eine Menge bewirkt hatte (wie etwa der 18-seitige, hier als PDF herunterladbare Text “Alexander von Humboldt in Franken” von Rudolf Endres beschreibt) war 1797/98 also zu jener Reise in die weitere Welt aufgebrochen, die ihn bis nach Südamerika führte und auch im 21. Jahrhundert noch beschrieben wird. Und es nachvollziehbar erscheinen lässt, warum Goldkronach sich heute “Alexander von Humboldt-Stadt” nennt. So lautet zumindest der Titel einer 50-seitigen Broschüre, die dort im Rathaus auch noch ausliegt.
Sehenswürdigkeiten gibt es ansonsten nicht ungeheuer viele, weil eine Menge Stadtbrände, der letzte 1836, viele ältere Bauten zerstört haben. Ein ehrenamtlich betriebenes Goldbergbaumuseum hat nur sonn- und feiertags geöffnet, das gilt auch für zwei Besucherbergwerke, zu denen wie zu weiteren geologischen Besonderheiten ein Humboldt-Wanderweg wieder hinauf ins Fichtelgebirge führt.
Aber ein Event hat Goldkronach dann noch zu bieten: Im Juli ist dort wieder Deutsche Goldwaschmeisterschaft!
Und das ist wirklich bemerkenswert an Goldkronach: Der Goldbergbau hat sich offenbar nie davon verdrießen lassen, dass seine 66-jährige Blütezeit ganz am Anfang der mehr als ein halbes Jahrtausend langen Zeitspanne gelegen hatte, über die er betrieben wurde. Wahrscheinlich braucht Goldgräberstimmung gar kein Gold, oder bloß ein bisschen.