Eine Stadt, deren im Frühjahr ausliegende Veranstaltungsübersicht trotz ihres Titels “Frühjahr/ Sommer 2011” nicht nur bereits die örtlichen Nikolaus- und Weihnachtsfeiern auflistet (bis hin zu: “Sa, 31.12. Dorfplatz: Abschwenken Männerchor 1874 Diefflen e.V.”), sondern auch noch Platz für eine Vorschau auf 2012 findet (z.B. wird am Mittwoch, dem 25.4. das Tournee-Theater Thespiskarren in der Stadthalle “Arsen und Spitzenhäubchen” geben) – so eine Stadt muss eine eher ruhige sein. Obwohl gleich hinter der kleinen City ein Unternehmen der Schwerindustrie von Weltrang qualmt, lässt sich das Dillingen (Saarland) ohne Weiteres bescheinigen.
Zu den Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinne zählen der sog. Saardom, der an Größe und Sehenswürdigkeit-Anmutung wenig zu wünschen übrig lässt, bloß mit seinem Fertigstellungsdatum 1913 ein wenig zu jung ist, um viel herzumachen (wobei andererseits der Berliner Dom auch erst 1905 fertig wurde und heute dennoch besichtigt wird).
Ein Schloss gibt es in Dillingen selbstverständlich auch. Als ich dort (im Mai) vorbeikam, hätte man, um es näher anzuschauen, unterschiedlichen Ausschilderungen zufolge den Hausmeister oder den Werkschutz der auch gleich hinter dem Schloss wieder zu sehenden Dillinger Hütte, der es gehört (und die, falls jemand in diese Geschichte eintauchen möchte, sich als 326 Jahre alt und “eine der ersten Aktiengesellschaften Deutschlands” sieht), anrufen müssen. Das habe ich nicht getan.
Jedoch verbirgt sich eine aufschlussreiche Geschichte dahinter. Im 18. Jahrhundert herrschten die damals kriegs- und eroberungslustigen Franzosen über die gesamte Region. Als Ludwig von Nassau-Saarbrücken, also ein Fürst aus einer der Bindestrich-Dynastien, deren verstreute Herrschaften alte deutsche Landkarten so bunt machen, auf die Idee verfallen war, den Ort dem französischen König abzukaufen, sich von ihm zum Herzog von Dillingen erheben zu lassen und das deutlich ältere Schloss nach damaligen spätbarocken Idealen zur Residenz aufpeppen zu lassen – war das der definitiv allerschlechteste Zeitpunkt in der Geschichte des Feudalismus. Denn es geschah im Jahre 1789, unmittelbar bevor die Französische Revolution ausbrach. Sein Ansprechpartner war jener Ludwig XVI., der vier Jahre später guillotiniert wurde. Insofern ist Dillingen entweder nur ganz kurz oder niemals wirklich zum Hauptstädtchen eines eigenen Herzogtums aufgerückt.
Überhaupt keine klassische Sehenswürdigkeit, aber als Vertreter seiner eigenen architektonischen Epoche, die man vielleicht “braugraue Verwaltungsarchitektur” nennen könnte, schon interessant anzuschauen ist das Dillinger Rathaus. Darin zeigen wiederum Fundstücke aus der Römerzeit, wie weit zurück die Geschichte der Gegend reicht. Neben dem aktuellen Rathaus zeigt wiederum das alte Dillinger Rathaus, dass sich diese Epoche der Verwaltungsarchitektur vielleicht auch ein wenig als Kontrapunkt zu vorherigen Ären erklärt. Das alte Rathaus ist 1908 im preußischen Stil errichtet worden. Eine “Gott mit uns”-Inschrift prangt noch daran.
Und wenn man dann an einem schönen Tag noch durch den Stadtpark nebenan schlendert und außer der durch Nüchternheit bestechenden Konzertmuschel auch zwei Bunkergebäuden begegnet, die aus der Zeit des Westwalls stammen (der in der Nazizeit zur Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs errichtet wurde), könnte man sich denken, dass sogar das ruhige Dillingen mit seiner ausgesprochen abwechslungsreichen Geschichte zumindest einen kurzen Besuch lohnt.